Den Zeitungen im Netz geht es nicht so gut. Sie kämpfen um Klicks, um ihre Angebote zu finanzieren. Das ist verständlich. Aber, was die Süddeutsche Zeitung Online da in letzter Zeit so raushaut: so bitte nicht. Sie setzt auf zwei Dinge, die im Netz zwar vordergründig zu funktionieren scheinen, bei mir jedoch vor allem Magendruck und Völlegefühl auslösen. Vermeintlich humorvolle Kolumnen mit “frecher Schreibe”, die bei den Geschlechterbildern den Bodensatz aus der Klischeekiste kratzen und ansonsten auf im Internet (und nicht nur da) Altbewährtes setzen: Hohn und Spott. Und es kommt noch besser: gegen (Frauen-)körper. Bingo!
Gute Nachrichten: “Emotionale Erpressung geht immer”
In der Kolumne “Promis und Liebe: Schmachtwort der Woche” gibt es jeden Freitag ausgehend von einem Promizitat irgendwas “Humorvolles” über Männer und Frauen. Letzte Woche (05.09.) ging es um einen Satz von Charlie Sheen, der durchaus auch mal gewalttätig gegen Frauen wird, aber offenbar immer noch als zitierfähiger Spaßbold gilt. Sinngemäß sagt er, dass Frauen ja schon genau wüssten, wie sie Männer beeinflussen können. Ausgehend davon folgt die misogyne Leier, wie Frauen dank ihrer supermanipulativen Fähigkeiten die Männer dazu bringen, alles mögliche für sie zu erledigen und ihnen das Leben zu erleichtern. Etwa, indem sie sich als naives, doofes Mädchen hinstellen, weibliche Reize (oder Steaks) in Aussicht stellen oder ein bißchen emotionale Erpressung betreiben (“Kommt der Partner in Sachen Kinderwunsch nicht in die Gänge? Ein paar Internet-Ausdrucke mit Artikeln zum Thema Samenspende, betont achtlos auf dem Küchentisch verteilt, könnten seine Einstellung ändern.” – Sounds like a healthy relationship to me!). Die Feministinnen kriegen dann natürlich auch noch ihr Fett weg, denn sie haben Frauen diesen ungesunden Selber-Mach-Drang eingeimpft, durch den sie sich unnötig stressen, statt ihre Männer auszubeuten.
Wobei die Männer natürlich auch nicht viel besser wegkommen: sie sind komplette Vollhonks, die ohne entsprechende Anreize keinen Finger krum machen und dauernd Lust auf Steak haben. Oder so. Und die niemals vor einer Frau auf die Knie fallen würden, “weil sie so toll mit der Schlagbohrmaschine umgehen kann.” Ist ja auch voll unweiblich. Ey.
Ist doch nur Spaß? “Spaß?” – äh, naja. “Nur Spaß?” – klares Nein. Denn da ist das Problem: Humor ist eines der perfidesten Mittel, um sexistische Stereotypen quasi unbemerkt zu perpetuieren und zu verfestigen – eben weil immer noch ein Schmunzeln dabei ist: Jaja, so sindse, die Frauen (und Männer). Mario Barth grüßt von fern und freut sich über seine baldige wöchentliche Kolumne in der SZ.
Heute schon unwohl in deinem Körper gefühlt? – “Problemzonen, frisch gepresst”
Die neueste Kolumne auf sueddeutsche.de erscheint im Ressort “Stil”, nennt sich “Fashionspießer” (voll selbstironisch, zwinker) und dreht sich um Mode. Oder genauer: das Ranten über als unschön wahrgenommene Trends. Modekritik: warum nicht? Aber leider lässt sich die Autorin Lena Jakat nur vordergründig über “High-Waist-Hotpants” aus. Was als Glosse über ein Kleidungsstück daherkommt, das angeblich niemandem steht, wird schnell zur Shame-Orgie rund um den weiblichen Körper: Da wabbelt und wulstet und quillt es, da blitzt die Orangenhaut “in ihrer reinsten Form, wie sie nur ganz oben am Oberschenkel, knapp unterhalb der Po-Falte, zu finden ist!” Die bürobleichen Beine kriegen ihr Fett (haha. nicht.) genauso weg wie sämtliche Kurven, die nicht der Norm (der Autorin, der Gesellschaft…) entsprechen, zu ausgeprägt sind oder fehlen, eben schlichtweg falsch sind.
Ob und wie eine high-waisted Shorts gut aussehen kann: das erfahren wir eigentlich nicht, sondern nur, wie unsere Körper besser nicht sein sollten. Mit Mode hält sich die Autorin sowieso nicht lange auf. Dass es den High-Waist-Look schon vor Jahren gab (von Fashionblogs sollten “Style-Kolumnist_innen” schon gehört haben), wo der modische Ursprung des Stils liegt, gute oder schlechte Schnitte oder Kombinationen werden nicht erwähnt. Wieso auch: was richtig geschnitten sein soll, sind die Körper.
(Randnotiz: Mir sind diese Shorts außerdem kaum aufgefallen in letzter Zeit. Weiß nicht, ob die Autorin dem Trend nicht etwas hinterher hinkt).
Verzweifelt?
Angesichts dieser Kolumnen frage ich mich wirklich: ist die SZ schon so verzweifelt auf der Suche nach Klicks, dass sie Leser_innen mit schlecht getarntem Mario-Barth-Humor und billigem Body-Shaming im Hot-or-Not-Stil ködern müssen? Selbst wenn hoffe ich, dass damit die Klickkurve erstmal weiter nach unten geht (ich habe hier auch auf Links verzichtet. Wer neugierig ist, über die Begriffe und Zitate dürften die Texte leicht zu finden sein – aber ich rate ab). Wie wäre es denn stattdessen mit mehr Kolumnen, die Stereotype und Normen hinterfragen, aufzeigen und auseinandernehmen? Das geht auch humorvoll gut. Meinen Klick hätten sie.
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Ich hab vor einigen Jahren bei sueddeutsche.de ein Praktikum gemacht und glaub mir, das hat sich damals schon angedeutet. Ich war entsetzt von dieser “Jagd auf Klicks” und bin überzeugt davon, dass man so mehr Leser verliert als gewinnt. Denn so können sie sich ja gleich in bild.de oder gala.de umbenennen. Furchtbar.